Hier lesen Sie die Haushaltsrede 2023 unseres Fraktionsvorsitzenden Dr. Jens-Christian Kraft:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung danken, die an dem vorliegenden Haushalt mitgearbeitet haben. Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, wie viel zusätzliche Arbeit und Mühe es gekostet hat, in den vergangenen vier Wochen praktisch alle wesentlichen Annahmen und Zahlen des Haushaltsentwurfes zu hinterfragen und zu überarbeiten, die der ehemalige Bürgermeister in der Stadtverordnetensitzung vom Dezember eingebracht hat.

Dieser erste Entwurf war sicherlich geeignet, die festliche Stimmung im Dezember nicht zu trüben. Er enthielt allerdings einige Unklarheiten, die kurzfristig für viel Extra-Arbeit gesorgt haben.
Herr Bürgermeister, richten Sie den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bitte den Dank der CDU-Fraktion aus.

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Die finanzielle Situation der Stadt Lollar ist schlecht. Nach Sichtung der Haushaltsunterlagen stellt sie sich deutlich schlechter dar, als die ohnehin schlechten Aussichten, die im Dezember geschildert wurden. Und seit den Beratungen im HFA ist klar, dass es sogar noch dramatischer ist, dass über viele Jahre lang schlecht gewirtschaftet wurde, und dass eine transparente Darstellung der tatsächlichen Lage verhindert und keine Gegenmaßnahmen getroffen wurden.

Der Ergebnishauhalt schließt mit einem deutlichen Minus ab. Die Neuverschuldung wird stark ansteigen.
Und das, obwohl ein Großteil von sinnvollen Investitionen in moderne Heiz- und Gebäudetechnik und energetische Sanierung verschoben wurde.
Und auch obwohl die kommunalen Steuern deutlich erhöht werden sollen. Die CDU-Fraktion wird Steuererhöhungen unter diesen Umständen nicht zustimmen.
Und selbst bei den geplanten Steuereinnahmen wiederum ist viel Zweck-Optimismus enthalten.

Im Haushalt werden Gewerbesteuereinnahmen von 3,7m€ geplant, davon 400t€ durch Steuererhöhungen. Selbst ohne diese Erhöhungen wären die verbliebenen 3,3m€ Gewerbesteuer Rekordeinnahmen.
Entspricht dies der allgemeinen Erwartung in diesem Hause, dass wir nächstes Jahr Rekordeinnahmen erzielen werden?
Ich persönlich glaub nicht daran. Ich möchte dennoch annehmen, dass die Verwaltung diese Schätzung nach bestem Wissen gemacht hat.
Jedoch sind wir gebranntes Kind. Unrealistische Steuerschätzungen wurden in den Vorjahren nachweislich als Instrument missbraucht, um den Haushaltsplan zu schönen und um unliebsame Entscheidungen nicht treffen zu müssen.

Genau denselben Zweck verfolgten die Haushaltsansätze 2023 für das Baugebiet „Unterm Grasweg“ in Ruttershausen.
Wir haben den aufrichtigen Aktenvermerk der Verwaltung zur Kenntnis genommen, der sagt, man können nicht spekulieren, wie die alten Annahmen zustande kommen.
Wir als Parlamentarier können da natürlich offen sagen, was der Zweck dieser Annahmen war.
Die eine Million Nettogewinn für 2023 (also die Differenz aus den noch in diesem Jahr realisierten 5 Millionen Erlös aus Grundstücksverkäufen und 4 Millionen Ankauf- und Entwicklungskosten) waren eine notwendige Illusion, um die größere Illusion einer verantwortungsvollen Haushaltsführung aufrecht erhalten zu können.

Mit Blick auf das Baugebiet „Unterm Grasweg“ in Ruttershausen, welches ja ein großer Zankapfel im Kommunalwahlkampf war, muss ich sagen:
Wir als Oppositionsfraktion waren zu keiner Zeit informiert über den aktuellen Stand des Verfahrens, sind davon ausgegangen, dass die Ankauf-Aktivitäten vorangeschritten sind und dass eine zeitnahe vollständige Realisierung in Reichweite ist.
Nachdem wir nun realistischere Annahmen kennen und um die Herausforderungen wissen, halte ich persönlich es für möglich, dass das Projekt in Gänze gar nicht umgesetzt werden kann sondern vielleicht doch nur entlang des vorhandenen Rosenwegs.

Vieles an der Vorgehensweise der Regierenden in Lollar ist intransparent und fragwürdig. Es hat sich eine Art Schattenhaushalt gebildet. Gelder werden aus Vorjahren übertragen. Es ist für die Opposition bei einem erheblichen Teil der Beträge nicht möglich nachzuvollziehen, was wann wofür verausgabt wurde und wird.
Wir hoffen darauf, dass sich der neue Bürgermeister gemeinsam mit einer selbstbewussten sowie personell und technisch gut aufgestellten Stadtverwaltung von den bisherigen Gepflogenheiten emanzipieren kann.

Konkret bedeutet das für die Haushaltsaufstellung in der Zukunft:
1. Einbringung, Beratung und Beschluss mit genügend Vorlaufzeit im Vorjahr (und nicht erst dem laufenden Jahr).
2. Ein zügiger Rechnungsabschluss der vollendeten Haushaltsjahre.
3. Zeitnahe Haushaltsvollzugsberichte und Informationen über außer- und überplanmäßige Ausgaben des Magistrates.
4. Keine Übertragung von Haushaltsresten in Folgejahre, um den Haushalt zu schönen; keine Schattenhaushalte verwalten.
5. Eine Begrenzung des direkten politischen Einflusses mancher Akteure auf die Verwaltung.
6. Keine informellen Hinterzimmer-Absprachen zu wichtigen Entscheidungen.
Herr Bürgermeister, sofern Sie dies in Angriff nehmen wollen, haben Sie dabei unsere Unterstützung.

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Die kurzfristigen Anpassungen im Haushaltsplan 2023 hatten ja keinerlei nachhaltigen Einsparungen zum Ziel. Investitionen wurden verschoben, um einen großen Knall zu verhindern. Dieser große Knall wurde aber nur herausgezögert.

Nach diesen Erkenntnissen ist klar, dass die Stadt Lollar ein Haushaltssicherungskonzept bekommen wird. Es ist merkwürdig, dass ein erheblicher Teil der HFA-Diskussionen es zum Ziel hatte, die Situation weiter zu kaschieren. Es ist befremdlich, dass manche einfach weitermachen wollen bisher.

Diese verschobenen oder gestrichenen Investitionen, die man natürlich auch schon viel früher hätte seriös einplanen und umsetzen können, betreffen u.a. die energetische Sanierung und Heiztechnik. Dies sind mitunter die wichtigsten Stellhebel einer Kommune, um zum Erreichen der Klimaziele beizutragen.
Jeder, der letztlich eine solche Haushaltspolitik unterstützt oder durchwinkt, braucht sich andererseits dann allerdings auch keine Gedanken machen, welche Jahreszahlen man dann als Ziel der Klimaneutralität der eigenen Kommune schwarz auf weiß in irgendein Antragspapier hineinschreibt.

In der November-Sitzungsrunde hatten wir aus dem Nichts einen Antrag des Jugendhilfeträgers um Aufstockung des Vertrages auf dem Tisch mit Mehrkosten von 70t€. Und das, obwohl schon damals klar war, dass wenige Wochen danach die katastrophale Finanzlage der Stadt mit der Haushaltseinbringung offenkundig wird. Dieser Beschluss stellt genau den Gegenwert der Grundsteuererhöhung um 20%-Punkte dar, den jeder Lollarer Grundstückseigentümer nun zahlen soll.

Es wird bei allen Themen und Ideen, die Geld kosten, gar nicht so sehr darum gehen, ob man etwas gut und schön findet, sondern darum ob man dafür bereit ist, notwendige Pflichtaufgaben zu vernachlässigen. Und die Steuern weiter zu erhöhen, bei der Grundsteuer B 10%-Punkte je 35t€ Zusatzausgabe.

Ein renommiertes Unternehmen aus dem Landkreis hat eine Betriebsstätte in Lollar angemeldet und möchte hier investieren. Es ist sicherlich kein förderliches Signal, als Willkommensgruß die Gewerbesteuer direkt um 40%-Punkte anzuheben.
Die vorgeschlagenen Steuererhöhungen lassen sich nicht rechtfertigen vor dem Hintergrund, dass der Steuerzahler keinerlei Mehrwert bekommt, weil im laufenden Jahr keine Verbesserung der Infrastruktur zu erwarten ist. So eine Politik kann keine Zustimmung finden.

Die CDU-Fraktion hat öfters kritisiert, dass die Stadt Lollar Geldbeträge an Dritte ohne Rechtsgrundlage auszahlt. Vorbei an bestehenden Satzungen. Viele kleine und Kleinstbeträge. In einem Fall eines fünfstelligen Betrages meinte der vorige Bürgermeister: Nein, es gäbe keine Rechtsgrundlage, aber eine moralische Verpflichtung zu zahlen.
Bei dieser Argumentation muss ich aber sagen: Die Kommunalpolitik hat eine moralische Verpflichtung gegenüber allen Bürgern gleichermaßen.
Gegenüber den Kindergartenkindern, die in Gruppenräumen ohne kaputte gerissene Fenster spielen wollen.
Gegenüber denjenigen, die über eine unbeschädigte Straße von A nach B fahren wollen.
Und gegenüber denjenigen, die - und so weit ist es in Lollar schon gekommen – einen Fluss mittels einer sicheren Brücke gefahrlos überqueren möchten.

Die Stadt Lollar nimmt ihre Pflichtaufgaben seit längerem nicht so wahr, wie die CDU und viele Bürger sich das wünschen. Dass sich die finanzielle Lage Lollars so entwickeln wird, ist die Folge falscher politischer Entscheidungen und falscher Priorisierung von SPD und Grünen.

In den Haushaltsberatungen sind einige Dinge neu ans Licht gekommen, die politisch und rechtlich aufgearbeitet werden müssen. So ist die Stadt Lollar aufgrund eines städtebaulichen Vertrages verpflichtet, die Fertigstellung eines Retentionsraumes mittels eine Flutmulde im Hochwassergebiet an der Lahn mitzufinanzieren. Hier werden Kosten von knapp 300.000 € auflaufen.
Den finanziellen Nutzen dieser Vereinbarung hatte die Stadt durch hohe Einnahmen bei Grundstücksverkäufen in der Vergangenheit. Das Geld wurde ausgegeben, es wurden keine Rücklagen oder Rückstellungen gebildet. Die finanzielle Belastung, die damals durch den Vertragsabschluss absehbar war, kommt jetzt zum Tragen. Dies ist ein konkretes Beispiel, das dokumentiert, dass die Entscheidungsträger in der Vergangenheit über ihre Verhältnisse gelebt und entschieden haben. Und dass zulasten künftiger Generationen Politik gemacht wird.

Angesichts der Intransparenz im Haushaltsplan und der falschen Priorisierung wirkt der lakonische Rat des ehemaligen Bürgermeisters vom Dezember, man solle aufgrund der vom Hessischen Landesrechnungshof aufgezeigten Einsparpotenziale doch „Anpassungen“ vornehmen, sehr zynisch.

Die finanzielle Situation der Stadt ist eine große Hypothek für den neuen Bürgermeister und alle handelnden Personen, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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